Mark's Begegnung
Das Wasser
plätschert und gurgelt von der alten Mühle, als ob es eine Melodie spielen
will. Mark liegt im hohen Gras, mit den Händen hinter dem Nacken verschränkt,
kauend mit einem Grashalm im Mundwinkel. Sein Blick schweift zum Himmel, einen
ruhig kreisenden Bussard beobachtend. Mit welcher Eleganz sich dieser grosse
Vogel doch bewegt - und welchem Geschick! Seine Gedanken träumen von diesem
wunderbaren Mädchen mit langen braunen Haaren, dass er vor drei Tagen im Wald
beobachtet hatte. Sie war schlank, vermutlich in seinem Alter und von zierlicher
Gestalt. Sie ritt ein schwarzes kräftiges Ross von märchenhaftem Aussehen. Der
Schwarze trug seinen mächtigen Hals in stolzer Haltung. Sein voller Schweif und
seine lange Mähne, die dem Pferd fast bis an die Knie reichte, wehten im Wind.
So stellte er sich immer die Ritterpferde der Könige und Fürsten in den
Geschichtsbüchern vor. Mark schliesst seine Augen. Er ist froh, dass Wochenende
war und er sich vom Alltagsstress erholen kann. Immer, wenn es ihm möglich ist,
fährt er zu Onkel Tom. Onkel Tom, der eigentlich Thomas Sebastian heisst, ist
ein chaotisch veranlagter Mensch von gemütlicher Natur und Einfachheit. Onkel
Tom lebt alleine in der alten aber hübsch renovierten Mühle, nur mit seinen
Tieren und seinem Computer. Dieser verbindet ihn mit der Aussenwelt und mit
diesem verdient er auch sein Geld. "Arbeiten muss ein Mensch ja", sagt
Onkel Tom immer wieder. "Mit was soll' ich sonst all die vielen Mäuler
stopfen" und damit meint er sich selbst und all seine Tiere. Seit dem Tode
seiner Geliebten Charlotte ist er nicht mehr derselbe Mann. Mark mag seinen
Onkel sehr. Wie auch er liebt er das einfache Leben in der Natur. Onkel Tom ist
einer seiner besten Freunde. Mit ihm kann er über alles reden. In diesem
Augenblick schnaubt es und Mark wird aus seinen Gedanken gerissen. Er spürt ein
Pferdemaul, das ihn liebevoll beschnuppert. "Ja, ja .. guter
Seppl...". Seppl, der Haflingerwallach, ist Marks grosser vierbeiniger
Freund. Der 16jährige Seppl weiss viele Geheimnisse, die ihm Mark verraten hat.
Mark krault Seppls blonden Mähnenschopf und streichelt ihn sanft über seine
Augen und seinen schon etwas grauen Kopf. Sofort steht der Blonde ganz entspannt
da und geniesst Marks Streicheleinheiten.
Dann nimmt Mark
Seppls Halfter und führt ihm zum Pferdestall und bindet ihn dort an.
Schnatternd kommen ihnen 3 Gänse entgegen, die bestimmt im nahen Teich
schwimmen gegangen sind. "Na, was meinst Du Seppl, wollen wir noch etwas
spazieren gehen?" Seppl spitzt sofort die Ohren, denn er versteht jedes
menschliche Wort. Mark holt aus der Sattelkammer Putzzeug und bürstet Seppls
alten "Haflingerpelz". Auf dem Misthaufen vergnügen sich einige
scharrende Hühner und die Ziege Luzi knabbert, wie immer, überall dort, wo sie
nicht darf... zum Beispiel gerade in dem frischgepflanzten Blumenbeet von Onkel
Tom. "Gschsch.. Luzi, mach' dass Du wegkommst, Du alte Miesmuschel!!"
ruft Mark und wirft ihr eine alte Bürste nach. Flugs springt Luzi mäckernd
einige Meter weg und dreht sich verdutzt um. Den Kosenamen Miesmuschel bekam
Luzi noch von Charlotte, da Luzi nicht immer in bester Laune ist und dieses
sofort mit einem Horn-Angriff "wie ein kleines Steinblöckchen",
bekundet.
In dieser idyllischen
Atmosphäre muss Mark wieder an dieses Mädchen denken - wer sie wohl war? Seppl
stupst Marks Arm, wie er damit sagen will: "He, wach' auf, ich bin auch
noch da!" "Guter alter Seppl..." und Mark tätschelt seinem
Freund den Hals. "Gefällt Dir Dein neuer Stall?" Mark war letztes
Wochenende mit den letzten Stallarbeiten fertiggeworden. Aus dem alten
zerfallenen und stickigen Stall hat er einen schönen grossen Offenstall gebaut
mit einem Trockenplatz für nasse Tage und einem Schnitzelpaddock mit
anschliessender Weide. Über vier Monate hatte er jedes Wochenende und sogar
manchmal am Abend bis spät in die Nacht daran gebaut. Onkel Tom hatte ihn
tatkräftig und finanziell unterstützt. Sein lieber Seppl sollte es im Alter
noch besonders gut haben. Onkel Tom hatte für seinen Haflinger kaum mehr Zeit
und so hatte er ihn Mark geschenkt. "Ja, das wär’ wohl schön, wenn Du
einen Gefährten hättest... Platz hast Du nun ja genug..." Seppl prustet
Mark zustimmend bei und lässt prompt einen Haufen fallen. Schnell schnappt sich
Mark die Schaufel, ladet die frischen Pferdeäpfel auf und schmeisst diese auf
den Mist, sodass die Hühner erschrocken auseinander flattern und sofort
zurückkommen um zu schauen, ob für sie doch etwas Fressbares dabei wäre. Nach
einer halben Stunde hat Mark den Haflinger auf Hochglanz 'poliert'. Mark trenst
Seppl auf, fasst die Zügel und zieht das Stallhalfter über die Trense von
Seppls Kopf. In die Zügel macht er einen Knopf und lässt diese auf Seppls
Hals. Den Stallhalfter-Strick nimmt Mark in die Hand. "So, komm'
Seppl..."
Seppl trottet brav im
Schritt neben Mark her in Richtung Wald. Seppl würde keinen falschen Schritt
wagen, resp.: schliesslich wurde er ja wohl erzogen! Mark atmet tief durch, wie
gut ihm doch die frische Waldluft tut. Mark steht ganz still und auch der alte
Seppl atmet kaum noch. Diese wohltuende Stille - nur hier und da hört man ein
leises Vogelgezwitscher und schwach kann man noch das Plätschern der alten
Mühle wahrnehmen.
Nach einer halben
Stunde meint Mark: "Was meinst Du Seppl, lässt Du mich auf Deinen Rücken
sitzen?" Mark führt den Haflinger zu einem am Boden liegenden Baumstamm.
Von da aus steigt er vorsichtig auf Seppls Rücken. Seppl gefällt es, er senkt
seinen Kopf und schnüffelt am Waldboden. Mark macht den Zügelknoten auf, nimmt
die Zügel auf, den Halfterstrick hält er in der linken Hand. "Hü
'Seppi', yeah ... ich fühl' mich wie ein Cowboy!" Sofort lässt sich Seppl
von Mark anstecken und er trabt ein kleines Stück, gemächlich, schliesslich
ist er ja kein D-Zug! “Ho hooo ‘Seppi’, mach Scheeeriiittt”, flüstert
Mark seinem Haflinger mit tiefer Stimme zu.
Mark geniesst den kleinen Ritt auf Seppls Rücken. Seit Seppl ein
leichtes Arthroseleiden hat, will
er ihm nichts mehr Grosses zutrauen. Aber was solls, Seppl ist ihm so ans Herz
gewachsen, dass er auf grosse Ausritte gerne verzichtet und er sich ab und zu
nur ganz kurz ein Aufsitzen gönnt. Es ist schön, dass es Seppl zur Zeit so gut
geht und er keine Anzeichen von Arthrose zeigt, denkt Mark und streichelt seinen
Freund. "Das gefällt Dir auch ... mein kleiner Freund...” Seppl trabt
erneut an. “Ho Seppilein ... hoooo, Scheeeriiittt" und sofort trottet
Seppl im flotten Schritt vorwärts. "Heute bist Du aber wirklich gut
drauf..." Doch was ist das?? Mark hält Seppl an, damit er besser hört.
Seppl hebt gespannt sein graues Haupt und sieht in dieselbe Richtung wie Mark.
"Ja, tatsächlich ... Pferdegetrappel". Es kommt näher. Mark sitzt ab
und führt Seppl wieder. "Komm' Seppi...” flüstert Mark seinem Freund zu
und fasst ihn am Halfter. Durch die Büsche sieht Mark ein Schatten, der, wie er
auch, auf die Waldkreuzung zukommt. Mark bekommt Herzklopfen, es wird doch nicht
.... ja, tatsächlich, es ist "seine Schönheit", die ihn bis in seine
Träume folgt. Das langhaarige Mädchen mit Pferdeschwanz lächelt ihm
freundlich entgegen und hält an. "Hallo, Du hast aber einen hübschen
Haflinger ... - wie heisst er? “Seppl” haucht Mark, der kaum eine Stimme
herausbringt. “Und wie heisst Du”? Mark versagt vor Aufregung seine Stimme.
“Ich heisse Christa. Von wo kommst Du?" Mark, der immer noch nach seiner
Stimme suchend, ist sehr überrascht, dass sein Traummädchen so aufgestellt und
gesprächig ist, das gefällt ihm. Dann muss er schmunzeln, blinzelt sie an und
fasst wieder Stimme. Er räuspert sich. "Hallo, ich bin Mark". Brav
streckt er Christa seine Hand hin. "Mark!" "Ach, was für ein
Zufall" kichert Christa und fängt zu lachen an. “Was ist an meinem Namen
so lustig?” fragt Mark. “Na, weil mein Pferd auch Marc heisst!” “Das ist
aber wirklich sein Zufall!” Lachen ist ansteckend und so muss auch Mark
lachen. Das löst Marks Befangenheit und sofort albert Mark mit, er sagt mit
etwas tiefer Stimme: "Gestatten, mein Name ist von Güldenstein, Mark von
Güldenstein und das hier ist mein treuer Gefährte "Seppl", der
Haflinger-Wallach.” Christa muss immer noch Lachen. Auch sie ist von Marks Spontaneität
und Witzigkeit angetan. Dann wird es für Sekunden ruhig und beide schauen sich
tief in die Augen. Beide überkommt ein kribbeliges Gefühl. Etwas beschämt und
scheu muss Mark wegschauen. Verlegen mustert er Christas Pferd. "Du hast
ein wunderschönes Pferd, gehört es Dir?" fragt Mark. "Ja,
natürlich, Marc ist mein "ein und alles". "Ja - kann ich mir
vorstellen, das ist mein Seppl auch", entgegnet ihr Mark. Mark räuspert
sich: “Es ist mir etwas peinlich, aber was ist dein Marc für eine Rasse?”
“Er ist ein Friese ... ein 9jähriger Hengst mit bester Abstammung, direkt aus
Friesland”, fügt Christa etwas stolz an. Christa spielt verlegen an Marcs
langer Mähne. "Ich bin neu in der Gegend", erzählt Christa.
"Ich bin vor zwei Wochen hier hergezogen, weil ich meine Arbeitsstelle
gewechselt habe" und deutet zum Dorf herüber. "Marc habe ich im
Reitstall untergestellt, weil ich nichts anderes befunden habe. Es gefällt uns
überhaupt nicht, ehrlich. Kleine Boxen, eng und dunkel, bis an die Decke
vergittert, nur ein kleines Fenster pro Boxe, und zu allem nicht mal einen
Auslauf, dafür aber Reithalle und beheiztes Reiterstübchen! Kannst Du Dir das
vorstellen, Mark?? Unmöglich ist das!" "Ja, kann ich", stimmt
Mark Christa bei. "Mein Seppl hat's bestens, er hat einen schönen
Offenstall mit Schnitzelpaddock und einer ganz grossen Weide!" Christa
schaut Mark fast etwas neidisch an. "Ohh" staunt Christa. “Dir und
Deinem Seppl geht’s aber gut.... " meint Christa mit etwas gedämpfter
Stimme. "So einen schönen Stall würde ich meinem Marc auch wieder
wünschen. Dort, wo ich ihn vorher in Pension hatte, hatte er es auch super.
Marc war auf einem Bauernhof mit Aussenboxe und anschliessendem Paddock,
zusammen mit drei weiteren Pferden, 2 Wallachen und noch einem anderen Hengst.
Alle vier durften immer zusammen auf die grosse Weide, den ganzen Tag, spielten
zusammen und konnten sich das Fell kraulen. Aber eben, der Weg zu Marc wäre so
weit gewesen, dass hätte ich nicht mehr geschafft. Mit dem Auto hätte ich
über eine Stunde pro Tag für einen Weg fahren müssen! Ich hoffe, dass ich in
absehbarer Zeit einen neuen guten Stall in der Gegend - mit Lebensqualität -
für Marc finde"... Da kommt Mark eine spontane Idee. "He, Christa,
ich wüsste da vielleicht was..." "Ja??", sagt Christa
überrascht. "Seppl steht zur Zeit alleine bei Onkel Tom. Mein Onkel wohnt
in der alten Mühle, hier ganz in der Nähe, und Seppl hat einen ganz grossen
Offenstall ganz für sich alleine. Wir hätten genug Platz für ein zweites
Pferd und Seppl wäre dann nicht mehr so alleine. Vielleicht könnte ich da was
anrangieren? Ich zeige Dir gerne den Stall und stelle Dich mal meinem Onkel Tom
vor. Natürlich nur wenn Du willst. Wir könnten gleich gehen. Hast Du Lust
mitzukommen?" "Ob ich will?? Na ob will ich, sehr gerne sogar!"
und Christa bringt ihren Mund vor Staunen fast nicht mehr zu. "Echt?
Könntest Du das für u n s
machen??" Ihr springen vor Glück fast die Augen aus dem Kopf und
Christa kann es noch gar nicht fassen. "Klar mein' ich das ernst! Kommt mit
mir mit, ich beweis' es Euch zwei." Christa und Mark fühlen es tief im
Herzen. Das ist der Beginn einer wunderschönen langen Freundschaft mit Glück
und Abenteuer...!
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